Netzzugang Gas

Status

Der Schweizer Gasmarkt ist durch Art. 13 RLG theoretisch seit 1963 geöffnet. Faktisch spielte der Markt nicht, da die Modalitäten des Netzzugangs umstritten waren. Die Verbändevereinbarung von 2012 hat teilweise Abhilfe geschaffen, birgt jedoch wettbewerbsrechtliche Probleme (=Rechtsunsicherheiten und Sanktionsgefahr).

Der Bund beabsichtigt die Schaffung eines Gasversorgungsgesetzes. Der Verband der Schweizer Gasindustrie (VSG) unterstützt dieses Vorhaben aus Gründen der Rechtssicherheit. Als Basis der Gesetzesvorlage dienen die aktuelle Verbändevereinbarung, deren Weiterentwicklung sowie Grundlagenberichte und Begleitstudien (Stand August 2016).

Am 31. Oktober 2017 ist aus dem BFE verlautet, dass die Arbeiten betreffend ein Gasversorgungsgesetz aufgrund anderer dringlicher Geschäfte zurzeit sistiert seien.

Per Ende September 2018 sind bei der WEKO Klage mehrere Klagen gegen die Gaswirtschaft wegen abgelehnter Durchleitungsbegehren hängig.

Am 31. Januar 2019 hat die WEKO eine Untersuchung gegen die Erdgas Zentralschweiz AG (EGZ) und die ewl Energie Wasser Luzern Holding AG (ewl) eröffnet, um zu klären, ob die EGZ und die ewl anderen Gaslieferanten die Durchleitung durch ihre Erdgasnetze an Endkunden ungerechtfertigt verweigern. Zusätzliche Untersuchungen aufgrund weiterer Anzeigen behält sich die WEKO vor.

Das BFE hat die Arbeiten betreffend ein Gasversorgungsgesetz wieder aufgenommen.

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 26. Juni 2019 die Totalrevision der Rohrleitungsverordnung (RLV) verabschiedet. Neu geregelt werden darin der Geltungsbereich der Verordnung, Ausnahmen der Plangenehmigungspflicht für Instandhaltungsarbeiten, der Prozess für die Erteilung der Betriebsbewilligung sowie die Oberaufsicht. Die totalrevidierte RLV tritt am 1. August 2019 in Kraft.

Am 30. Oktober 2019 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zum Gasversorgungsgesetz eröffnet. Die Frist ist am 14. Februar 2020 abgelaufen.

Mit Entscheid vom 4. Juni 2020 öffnet die WEKO den Gasmarkt in der Zentralschweiz. Sie veranlasst über die Erdgasnetze der ewl Energie Wasser Luzern Holding AG (ewl) und der Erdgas Zentralschweiz AG (EGZ) einvernehmlich die Durchleitung. Zuvor hatten EGZ und ewl die Belieferung über ihre Erdgasnetze an Endkundinnen und Endkunden durch Dritte verweigert.

Das UVEK plant eine Totalrevision der Rohrleitungssicherheitsverordnung und schickt die Entwürfe in die Vernehmlassung. Diese dauert bis am 11. Januar 2021 (Bericht & Vernehmlassungsvorlage).

Im Laufe des Jahres 2022 soll die Botschaft zum GasVG an das Parlament überwiesen werden.

Die Ausarbeitung der Botschaft verzögert sich weiter und mit einer Überweisung an das Parlament kann erst im Verlaufe des Jahres 2023 gerechnet werden.

An seiner Sitzung vom 21. Juni 2023 hat der Bundesrat die neuen Eckwerte für das GasVG definiert. Bezweckt wird die Erhöhung der Gasversorgungssicherheit, die Transformation hin zu erneuerbaren Gasen und eine Teilmarktöffnung. Das UVEK ist beauftragt, eine Vorlage zu erarbeiten. Die Botschaft soll dem Bundesrat bis Ende August 2024 vorgelegt werden. Weiter hat der Bundesrat das WBF beauftragt zu prüfen, inwiefern Zweistoffanlagen finanziell unterstützt werden sollen. Das UVEK wurde beauftragt zu prüfen, welche Regeln für eine Umnutzung von Gasleitungen für Wasserstoff geschaffen werden müssen, welche gesetzlichen Regeln es für ein Wasserstoffnetz braucht und ob saisonale unterirdische Gasspeicher notwendig sind für eine Wasserstoffstrategie.

 

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Aktuelle Entwicklungen


Inhalte

Gemäss Art. 13 RLG sind Gasversorger verpflichtet, vertraglich Transporte für Dritte zu übernehmen, wenn sie technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sind, und wenn der Dritte eine angemessene Gegenleistung anbietet.

Die Verbändevereinbarung vom Oktober 2012 regelt die Modalitäten der Marktöffnung für Grosskunden. Per 1. Oktober 2015 wurde die Verbändevereinbarung angepasst: Die Zulassungsbeschränkung zum Gasnetz wurde gesenkt. Industriekunden mit Mindestbezug von 150 Normkubikmeter Gas pro Stunde können ihren Lieferanten neu frei wählen (Mindestbezug bisher: 200 Nm3/h).

Im Zuge zweier laufender WEKO-Untersuchungen treibt der Bundesrat die Arbeiten an einem Gasversorgungsgesetz voran, um eine Grundlage für eine geordnete Teilmarktöffnung zu schaffen.

Folgende Eckpunkte soll das Gasversorgungsgesetz nach Auffassung des Bundesrates enthalten:

  • Teilmarktöffnung: Der Gasmarkt soll für Kunden mit einem Verbrauch von mindestens 100 MWh/Jahr geöffnet werden. Für kleinere Kunden ist eine regulierte Versorgung durch den lokalen Netzbetreiber vorgesehen.

  • Entflechtung: Vertikal integrierte Gasversorgungsunternehmen sollen Netzbetrieb und wettbewerbliche Aktivitäten buchhalterisch trennen müssen. Zudem soll es nur noch eine einzige Bilanzzone Schweiz geben, welche durch einen Marktgebietsverantwortlichen geführt wird, welcher auch die Transportkapazitäten vergibt.

  • Für Transport und Buchung der Kapazitäten soll ein Entry-Exit-System (EES) geschaffen werden.

  • Integration der Transitflüsse in das Schweizer EES: Künftig sollen alle Gastransporte über das EES laufen und die Transitgasleitungen dem schweizerischen Rechts- und Regulierungsrahmen unterstellt werden.

  • Regulator: Die bisherige ElCom soll in EnCom (Eidgenössische Energiekommission) umbenannt werden und auch als Auftsichtsbehörde im Gasmarkt amten.

  • Messwesen: Der Bundesrat stellt die zwei Varianten zur Diskussion, einerseits eine vollständige Öffnung des Messwesens, andererseits eine Variante, wo der Netzbetreiber für das Messwesen zuständig ist.

  • Die Netznutzungsentgelte sollen wie beim Strom auf Basis der Cost-plus-Regulierung festgelegt werden (Aufsicht durch EnCom).

  • Zur Nicht-Diskriminierung von Power-to-Gas Anlagen sollen Stromnetzbetreiber neu auch mit einer Abnahme- und Vergütungspflicht für synthetische, erneuerbare Gase, nicht nur Biogas, belegt werden.

  • Daten- und Informationsaustausch/Datahub: Netzbetreiber und weitere Beteiligte sollen einander sowie den Netznutzern unentgeltlich und diskriminierungsfrei alle Daten und Informationen zur Verfügung stellen, die für eine ordnungsgemässe Gasversorgung notwendig sind. In fernerer Zukunft soll der Datenaustausch für die Strom- und Gasversorgung über eine zentrale, digitale, plattformbasierte Lösung (Datahub) erfolgen, wobei in Bezug auf die Modalitäten und den Betreiber eines solchen Datahubs noch zahlreiche offene Fragen bestehen.

Mit Entscheid der WEKO vom 4. Juni 2020 wird der Erdgasmarkt in der Zentralschweiz vollständig geöffnet. Zuvor hatten die ewl und EGZ einer Drittlieferantin die Durchleitung über ihre Netze zur Belieferung von bestimmten Kundengruppen verweigert. Die WEKO beurteilt dies als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und büsst die beiden Unternehmen mit rund CHF 2,6 Mio. EGZ und ewl verpflichten sich einvernehmlich, künftig sämtlichen an ihre Netze angeschlossenen Endkundinnen und Endkunden den Lieferantenwechsel zu ermöglichen. Weil weitere Anzeigen gegen Gasnetzbetreiber vorliegen, ist es möglich, dass die WEKO zusätzliche Untersuchungen in diesem Bereich eröffnen wird.

Im Rahmen der Totalrevision der Rohrleitungssicherheitsverordnung (Bericht & Vernehmlassungsvorlage) wird diese inhaltlich auf den neuesten Stand der Technik und der Praxis der Aufsichtsbehörden angepasst. Wesentliche Änderungen betreffen die Aufnahme der Schutzbereiche in das Kataster für öffentlich-rechtliche Beschränkungen (ÖREB), die Anpassungen betreffend die Trasseekontrolle, die Anforderungen an die Dichtheitsprüfungen für Leitungen zum Transport von flüssigen Brenn- und Treibstoffen sowie das Leitungsbrucherkennungssystem für Erdgashochdruckleitungen. Mit solchen Sicherheitssystemen soll der Schutz von Mensch und Umwelt verbessert werden.

Gemäss dem Entscheid des Bundesrats soll die Vorlage folgenden neuen Eckpunkte aufweisen:

  • Marktöffnung: Der Schwellenwert für den Zugang zum freien Markt soll auf einen Jahresverbrauch von 300 Megawattstunden festgelegt werden.

  • Strukturierte Beschaffung für die regulierte Versorgung: Pflicht für die lokalen Netzbetreiber, die Gasbeschaffung für die regulierte Versorgung zu strukturieren (Schutz vor Schwankungen).

  • Messwesen: Das Messwesen soll in der alleinigen Verantwortung der Netzbetreiber bleiben. Diese müssen sich aber an bestehende Data-Hubs anschliessen und ihre Daten zur Verfügung stellen.

  • Gasversorgungssicherheit: Um ein rasches Handeln zu gewährleisten, sollen eine Energiekommission und ein Marktgebietsverantwortlicher eingesetzt werden.

  • Transformation zu erneuerbaren Gasen: Einführung einer Netzanschlusspflicht zugunsten von Biogasanlagen. Des Weiteren soll eine Mindestquote für Gas aus erneuerbaren Quellen, einschliesslich Wasserstoff, eingeführt werden.

Relevanz für Unternehmen der Energiewirtschaft

Die Gasversorgung war bisher von kommunalen Versorgern geprägt. Zunehmend drängen jedoch ausländische und neue inländische Akteure in den Markt. Grosskunden verlangen nach international wettbewerbsfähigen Gastarifen. Politisch steht die Gasversorgung wegen den laufenden Bemühungen um Dekarbonisierung unter Druck.

Aufgrund der Anzeigen und der bereits eröffneten Untersuchungen der WEKO in Bezug auf Netzzugangsverweigerung droht - wie einst in der Stromversorgung - eine wilde Marktöffnung. Mit einer spezialgesetzlichen Marktordnung in Form des Gasversorgungsgesetzes will der Bundesrat eine geordnete Teilmarktöffnung ermöglichen und die 2012 von Gasbranchen und Kundenverbänden abgeschlossene Verbändevereinbarung ablösen. Die Gasversorgungsunternehmen wie auch die Kundenverbände sowie die Gemeinden und einzelne Kantone verlieren durch eine bundesgesetzliche Marktordnung einen erheblichen Teil ihrer bisherigen Kompetenzen im Gasbereich.

Die beabsichtigte Teilmarktöffnung (mit dem Ziel einer möglichst wirtschaftlichen bzw. günstigen Gasversorgung durch mehr Wettbewerb) steht zudem - wie schon die Strommarktöffnung - in einem grundsätzlichen Widerspruch zum Ziel einer möglichst umweltverträglichen, emissionsarmen Energieversorgung und einer sparsamen Energieverwendung (vgl. auch erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage, S. 62-64). Ausserdem erschweren weitergehende Entflechtungsvorschriften Ansätze der Sektorkopplung, insbesondere betreffend die Energiespeicherung.

Mit dem Entscheid der WEKO wird der Gasmarkt faktisch “wild geöffnet”. Damit sind bis zum Inkrafttreten des geplanten Gasversorgungsgesetzes erhebliche Rechtsunsicherheiten verbunden. Es ist davon auszugehen, dass diese Situation die Verabschiedung des Gasversorgungsgesetzes erheblich beschleunigen wird.

Weiterführende Informationen / Publikationen

<SW/MV/ 30. Juni 2023>